Rede zur Verabschiedung von Franziska Driessen-Reding, Präsidentin des Synodalrates der katholischen Kirche im Kanton Zürich, 30. Juni 2023, Zürich, Paulus-Akademie
Als das Buch „Der Weiberaufstand“ 2017 erschien, wurde ich in Interviews gefragt, wo denn dieser Weiberaufstand bleibe. Meine Antwort war immer: Das Buch heißt gerade deshalb so, weil es den Aufstand nicht gibt. Jetzt sind wir sechs Jahre – fast hätte ich gesagt– weiter, aber das wäre falsch. Wir sind nicht weiter, es ist sind bloß sechs weitere Jahre vergangen.
Liebe Franziska, du hast mich gebeten, zu deinem Abschied nicht nur über den Weiberaufstand zu reden, sondern gleich einen anzuzetteln.
Da muss ich dich enttäuschen: Ich führe weder als Publizistin noch als öffentlich-rechtliche Redakteurin Kundgebungen an. Ich bin nur eine einfache Arbeiterin im Weinberg der Weiber, und sage, was ich denkend und recherchierend vor meiner Vernunft verantworten kann. Solltet ihr doch lila Fahnen schwenkend aus dem Saal ziehen, dann ist das die Entscheidung freier Frauen.
1. Wie alles begann: Mit Lachen.
Frei, Frau, Entscheidung – das ist in der römisch-katholischen Kirche nicht vorgesehen. Die Frau ist nicht selbstbestimmt, sie hat eine Bestimmung.
Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit, aber bevor ich darauf zu sprechen komme, möchte ich mich der schreiend komischen Seite widmen.
Ich muss lachen, wenn ich daran denke, wie sich große Geister mit den Weibern herumquälten. Thomas von Aquin zum Beispiel konnte sich die Zeugung von Mädchen nur damit erklären, dass zum Zeitpunkt der Zeugung feuchte Südwinde geweht haben müssen.
Ich muss lachen, wenn ich mir Augustinus vorstelle. Als Playboy weiß er, wozu diese weiblichen Wesen da sind. Als frommer, bekehrter Mann muss er lange nachdenken, bis ihm eine mickrige Antwort einfällt. Die lautet: zum Kinderkriegen. So wird man Kirchenlehrer.
Bis heute ist das kirchenmännliche Reden durchtrieben von uralten Fragen dieser Art:
Wozu, Herr im Himmel, sind diese Weiber überhaupt da? Welchen Nutzen haben die eigentlich? Und, mein Gott, gehen die vielleicht irgendwann wieder weg? Sind die nur so ein Zeitgeist-Ding?
Der Neurosenkavalier
Seit Jahren sammle ich kirchenmännliche Weiberweisheiten, und einige neuere möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.
Nach meinen Recherchen ist Papst Franziskus zu der Erkenntnis gekommen, dass diese lästigen Weiber nicht bloß vorübergehend auf der Welt sind. Er deutet an, dass ihre Existenz durchaus einen Sinn haben könnte. Im April dieses Jahres erklärte er beim Treffen mit Ordensfrauen im Vatikan: „Es ist das Wesen der Frau großzügig zu sein. Ein paar neurotische gibt es, aber das ist überall ein bisschen so“. Der Stellvertreter Christi als Neurosen-Kavalier.
Mitte Mai dieses Jahres, bei einem Treffen mit Frauenverbänden, dozierte Franziskus: „Der Mann ohne Frau ist allein. Die Menschheit ohne Frau ist einsam. Eine Kultur ohne Frau ist einsam. Wo es keine Frau gibt, gibt es Einsamkeit, trockene Einsamkeit, die Traurigkeit und alle Arten von Schaden für die Menschheit erzeugt. Wo es keine Frau gibt, gibt es Einsamkeit.“
Vermutlich geht es Ihnen wir mir. Sie stehen ergriffen vor der Tiefe solcher Gedanken. Sie fühlen sich endlich als Frau – wie man heute im Achtsamkeits-Sound sagt – gesehen. Wertgeschätzt als Einsamkeitsvertreiberin, Frohmacherin, Luftbefeuchterin. Bisher wussten die Verbandsfrauen vielleicht gar nicht, wie nützlich sie sind. Danke, Papa.
Frauen sind possierlich und nützlich
Anfang Februar 2022, kurz nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens für das Erzbistum München und Freising, gab Erzbischof Reinhard Marx der „Süddeutschen Zeitung“ ein Interview. Er sagte darin: „Bei manchen Geistlichen wäre es besser, sie wären verheiratet. Nicht nur aus sexuellen Gründen, sondern weil es für ihr Leben besser wäre und sie nicht einsam wären“. Dafür gab es erwartungsgemäß Applaus vom sogenannten Reformlager. Es braucht ja nicht viel, um in Deutschland Kardinal auf liberal zu reimen.
Auch bei Marx sind Frauen nützliche Wesen: Einsamkeitsvertreiberinnen und Dampfkesseldruckventilöffnerinnen. Wenn’s sexuell pressiert, verschaffen sie ihrem Angetauten dosiert (!) Abhilfe. Weil Reinhard Marx in dem Interview zur Diskussion aufgerufen hatte, habe ich in meinem Blog die Gründung einer Bräuteschule für Klerikergattinnnen vorgeschlagen, das wurde leider auf dem Synodalen Weg nicht aufgegriffen, aber es ist ja noch Zeit, bis der Zölibat freigegeben wird.
Was ich hier zitiert habe, stammt nicht aus den 1950er Jahren, es sind auch keine Gedanken, die in einem vertrauten Kreis geäußert wurden. Zitiert habe ich aktuelle Wortmeldungen, die auf großer Bühne laut ausgesprochen wurden.
Stand heute sind Frauen also ganz possierliche Wesen, die das Leben des Mannes und der Menschheit angenehmer gestalten können.
Aber das weiß noch immer nicht jeder. Der eingangs erwähnte Augustinus hat ganze, nachhaltige Arbeit geleistet. Das Weib als Verführerin, Sünderin, Unreine – solche Kirchenlehrerwarnungen sitzen tief.
Der Augsburger Bischof Bertram Maier hat sich vor zwei Jahren ermannt und mit diesen Schreckbildern unerschrocken aufgeräumt. Frisch geweihten katholischen Priestern rief er zu: „Habt keine Angst vor Frauen!“
Später ließ er in einem Interview die Öffentlichkeit wissen:
„Ich lasse mich auch von Frauen beraten.“
Die Deutsche Bischofkonferenz hat einen weiteren weiblichen Zusatznutzen erschlossen: Sie wünschte am 8. März 2022 einen „wunderschönen Weltfrauentag“ per Twitter. Dekoriert war die Kurzgratulation mit einem Foto von „starken Frauen, die hinter unseren Bischöfen stehen“.
Die Frau als Bischofsrückentrainerin.
Der Weiberaufstand begann damit, solche Blüten zu pflücken. Ich betrachte sie von allen Seiten, würdige sie und blogge darüber. Es ist ein Fehler, solche Gewächse klerikaler Phantasie unbeachtet am Wegesrand stehen zu lassen, sie als schrullig oder unwesentlich wegzulächeln. Sie sind wesentlich, weil sie etwas über weibliche Wesen aussagen - und über kirchenmännliche. Ich empfehle, solche Sprüche auf Küchentücher zu sticken oder auf Tassen zu drucken, als Bürotasse für die Frauen-Verbandsarbeit passen sie besonders gut. Sie erinnern uns Weiber bei jedem Schluck daran: Wir sind zu etwas nütze!
In der römisch-katholischen Kirche muss man gerade das Komische, Lächerliche, Peinliche ernstnehmen.
Damit bin ich bei Stufe zwei des Aufstands.
2. Wie es weitergeht: Es wird ernst!
Bevor ich den Weiberaufstand geschrieben habe, war mir trotz katholischer Sozialisation nicht klar, was ich als Mitglied dieser Kirche in Sachen Weib hätte glauben müsste, wenn ich es denn gewusst hätte. Mir war zwar in der Jugendarbeit in den 1980er Jahren aufgefallen, dass Frauen nicht dasselbe dürfen wie Männer, aber ich wusste damals nicht so recht, warum. Wir dachten in unserer Jugendgruppe, das wächst sich raus. Die Gründe erfahren Sie als religiöse Endverbraucherin in einer eher liberalen Gemeinde nicht. Zum liberalen Habitus gehört es, so zu tun, als seien lehramtliche Texte unwichtig, weil man doch – Standardspruch – an der Basis so viel weiter ist als an der Spitze der Amtskirche.
Als ich die lehramtlichen Texte dann las, dachte ich: Das gibt’s doch nicht! Wer glaubt das denn wirklich?
Was also müssen römisch-katholische Menschen glauben? Sie müssen glauben, dass weibliche Wesen eine bestimmte Bestimmung haben: entweder zur Mutterschaft oder zur geistlichen Fruchtbarkeit. Weiber haben also die Wahl zwischen einem Dasein als Ehefrau und Mutter oder als Ordensfrau. Das sind die beiden Plätze, die das Lehramt ihnen zuweist. Platzanweiser ist eine Machtposition. Türsteher übrigens auch, erst recht wenn sie sagen: „Für dich ist die Tür zu“.
Der Mutterschoß des Menschen
Die Lehre hat sich mit der Zeit ein wenig geändert. Frauen durften vom Platz aufstehen und ein bisschen herumgehen, allerdings in einem streng abgezirkelten Radius. Machtworte werden vom Machthaber gern als Lob&Dank verkleidet, wie dieser Brief von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1995 zeigt. Er schrieb ihn zwar an die Frauen. Zunächst aber dankt er dem Herren für dessen Plan „bezüglich der Berufung und Sendung der Frau in der Welt“.
Dann wird der Papst konkret in puncto weiblicher Bestimmung: „Dank sei dir, Frau als Mutter, die du dich in der Freude und im Schmerz einer einzigartigen Erfahrung zum Mutterschoß des Menschen machst, ...
Dank sei dir, Frau als Braut, die du dein Schicksal unwiderruflich an das eines Mannes bindest, in einer Beziehung gegenseitiger Hingabe im Dienst an der Gemeinsamkeit und am Leben.
Dank sei dir, Frau als Tochter und Frau als Schwester, ..."
Jetzt kommt die Radiuserweiterung:
"Dank sei dir, berufstätige Frau, die du dich in allen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, künstlerischen und politischen Lebens engagierst, für deinen unverzichtbaren Beitrag zum Aufbau einer Kultur, die Vernunft und Gefühl zu verbinden vermag, zu einem Verständnis vom Leben, das stets offen ist für den Sinn des »Geheimnisses«, zur Errichtung wirtschaftlicher und politischer Strukturen, die mehr Menschlichkeit aufweisen.“
Das Soziale kommt interessanterweise zuerst, das entspricht am besten dem weiblichen Wesen.
Dann:
„Dank sei dir, Frau im Ordensstand, die du dich nach dem Vorbild der größten aller Frauen, der Mutter Christi, des fleischgewordenen Wortes, in Fügsamkeit und Treue der Gottesliebe öffnest und so der Kirche und der ganzen Menschheit hilfst, Gott gegenüber eine »bräutliche« Antwort zu leben, die auf wunderbare Weise Ausdruck der Gemeinschaft ist, die er zu seinem Geschöpf herstellen will.“
Schließlich dankt er den Frauen dafür, dass sie Frau sind und die Welt bereichern und zur vollen Wahrheit menschlicher Beziehungen beitragen.
Sitz! Platz! Braves Mädchen!
Auffällig: Das lehramtliche Schriftaufkommen zur Bestimmung der Frau ist ungleich größer als das zur Bestimmung des Mannes.
Was wie Lob klingt, ist eine Ermahnung. Was wie Dank klingt, ist ein Befehl. Sitz! Platz! Braves Mädchen!
Joseph Ratzinger hat sich als Präfekt der Glaubenskongregation ohnehin kaum mit dem Lob aufgehalten. Er schrieb 2004 nicht den Frauen direkt wie Johannes Paul II. Er schrieb über die Frauen den Bischöfen.
Zu Beginn dieses Briefs analysiert er „das Problem“ wie folgt:
„In den letzten Jahren haben sich in der Auseinandersetzung mit der Frauenfrage neue Tendenzen abgezeichnet. Eine erste Tendenz unterstreicht stark den Zustand der Unterordnung der Frau, um eine Haltung des Protestes hervorzurufen. So macht sich die Frau, um wirklich Frau zu sein, zum Gegner des Mannes. Auf die Missbräuche der Macht antwortet sie mit einer Strategie des Strebens nach Macht. Dieser Prozess führt zu einer Rivalität der Geschlechter, bei der die Identität und die Rolle des einen zum Nachteil des anderen gereichen. Die Folge davon ist eine Verwirrung in der Anthropologie, die Schaden bringt und ihre unmittelbarste und unheilvollste Auswirkung in der Struktur der Familie hat.“
Der Präfekt der Glaubenskongregation erkannte an, dass es gegenüber Frauen einen Missbrauch von Macht gegeben hat. Das Problem ist für ihn nicht dieser Machtmissbrauch, sondern die Tatsache, dass sich Frauen dagegen wehren und selbst nach Macht streben.
Der Brief an die Bischöfe trägt die Zusammenarbeit von Mann und Frau im Titel, aber Männer spielen darin keine Rolle. Ratzinger versucht, den Frauen die Flausen von der Gleichberechtigung aus dem Kopf zu treiben. Es ist übrigens einer der ersten vatikanischen Texte, der das Wort „Gender“ als Ideologie erwähnt. Angst macht hellsichtig.
Das verheißungsvolle Wort Gleichberechtigung benutzt der Glaubenshüter nicht, er baut durchgängig die Drohkulisse von der "Verwirrung der Anthropologie" und der "Gleichmacherei" auf. Diesen hochmanipulativen Text sollte jede und jeder kennen. Er wurde bis heute nicht modifiziert oder revidiert. Er gilt noch immer.
Diskrimierung ist "wahre Gleichheit"
In seiner Ungehaltenen Rede über die Würde des Menschen entwirft Pico della Mirandola Ende des 15. Jahrhundert ein Konzept von Würde, das bis heute brisant ist: Würde bedeutet, sich als Mensch in verschiedenen Möglichkeiten denken zu dürfen. Unabhängig von Stand, ethnischer Herkunft, Geschlecht.
Die römisch-katholische Kirche spricht in ihren lehramtlichen Dokumenten zwar dauernd von der Würde der Frau, aber sie sagt zugleich: Weil du Frau bist, hast du allenfalls die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Mutter/Ehefrau oder Jungfrau, Berufstätigkeit nur, wenn die Mutterschaft nicht leidet. Fälltdie Frau aus der Rolle, zerbrechen Familie und Gesellschaft, Ratzinger spricht sogar von „Unheil“.
Wenn jemand wegen eines gruppenbezogenen Merkmals individuell um Möglichkeiten gebracht wird, dann nennt man das Diskriminierung. In den Sozialwissenschaften zumindest.
In der römisch-katholischen Lehre ist genau das „wahre Gleichheit“, also eine naturrechtlich zu begründende, gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke spricht vom „Vera-Prinzip", nach dem lateinischen Wort für "wahr". Der Zusatz „wahr“ besagt im lehramtlichen Kontext: Wer die Wahrheit erkennt, erkennt in dieser Lehre die wahre Gleichheit und die Falschheit weltlicher Gleichberechtigung. Schon das Wort Diskriminierung gilt aus dieser Perspektive als verräterisch, weil damit eine sozialwissenschaftliche Kategorie auf die Heilige, von Christus selbst gestiftete Kirche angewandt wird.
Die Konsequenz: Der Grundsatz "Gleiche Würde, gleiche Rechte" gilt in der römisch-katholischen Kirche nicht. Das lehramtliche Mantra „Frauen sind gleichwürdig, aber nicht gleichartig“ bedeutet das Gegenteil von "Gleiche Würde, gleiche Rechte". Es heißt: Frauen sollen artig dort Platz nehmen, wo die Platzanweiser sie haben wollen. Dort sitzen sie würdig und recht.
Die Diskriminierung beginnt also nicht erst beim Ausschluss der Frauen von Weihe-Ämtern, sie beginnt bei dieser Beschränkung der Wahlfreiheit.
Wer glaubt, was zu glauben ist?
Das war in Kurzform das Konzept der Wesenswürde. Ich habe schon in einigen Runden mit Theologen – einige davon Priester – die Frage gestellt, ob sie dieses Konzept glauben oder für richtig halten. Mich würde jetzt interessieren: Glauben Sie, dass weibliche Wesen eine bestimmte Bestimmung haben? Handzeichen bitte.
Keine Hand geht nach oben. Diese Lehre, die für den institutionellen Aufbau wesentlich ist, wird nicht geglaubt. Aber sie gilt.
Vor ein paar Jahren gab es im Kölner Dom, so titelte eine Boulevardzeitung, eine "Revolution". Diese Umwälzung bestand darin, dass es Domschweizerinnen geben sollte, also Aufseherinnen. Mit großem medialen Getöse bekamen Frauen etwas, was sie nie gefordert hatten. An eine Domschweizerinnenbewegung rund um Köln kann ich mich jedenfalls nicht erinnern.
Der Kölner Dompropst lieferte folgende Begründung: „Wir glauben, dass Frauen und Männer sich insgesamt in dieser Tätigkeit gut ergänzen würden, wie in den anderen Arbeitsbereichen an der hohen Domkirche: in der Sakristei, in der Schatzkammer, in der Turmbesteigung.“
Alle lachen über die Turmbesteigung, aber das wichtige Wort ist hier „ergänzen“. Das ist der Kern der römisch-katholischen Wesenslehre. Mann und Frau ergänzen einander. Das klingt gleichberechtigt, folgt aber dem Prinzip der wahren Gleichheit.
„Ergänzen“ gehört zu den wichtigsten Machtverhältnisverschleierungsvokabeln. Das Wort klingt harmlos und sanft, wie Yin und Yan. Tatsächlich wird damit Beton in der „Frauenfrage“ angerührt: Was fehlt, was die Frau ergänzen soll, bestimmt allein der geweihte Mann. Hat ER die Macht, ergänzt SIE die Demut. Wenn ER spricht, ergänzt SIE das Lächeln. Wenn ER gibt, sagt SIE danke. Wenn ER nichts gibt, dankt SIE auch.
Sie haben vorhin dokumentiert per Handzeichen, dass sie diese Wesenswürde nicht glauben. Macht aber nichts. Diese Lehre wirkt trotzdem, auch bei Ihnen.
Sie wirkt schon dadurch, dass sich Katholikinnen von vornherein Möglichkeiten verbieten. Wie oft hören Sie in den Reformdiskussionen: „Lasst uns doch das machen, was schon jetzt kirchenrechtlich möglich ist. Auch kleine Schritte führen zum Ziel.“
Ich habe nichts dagegen, das kirchenrechtlich Mögliche zu tun. Aber dieser Pragmatismus ist kein Ersatz für Gleichberechtigung. Weiberaufstand heißt: Immer daran denken, dass in einem gerechten System ganz andere Möglichkeiten zur Auswahl stünden. Sich diesen Gedanken nicht ausreden lassen, nur weil Beharrlichkeit bei Frauen zur Aggressivität umgedeutet wird.
Ein Weiberaufstand stellt, wie jede Emanzipationsbewegung, die Machtfrage. Die Platzanweiser und Türsteher werden angefragt, angezweifelt, und wie jeder Privilegierte verteidigen sie ihre Position als rechtmäßig, als verdient, sie schotten sich ab oder mahnen zur Geduld, um die Fragenden als maßlos und hysterisch erscheinen zu lassen.
"Frau Florin, wollten Sie Priesterin werden?"
Du, liebe Franziska, hast in deiner Playlist zum Abschied einen Titel namens „Stürmische Zyte“ von Peter Reber ausgewählt. Darin heißt es:
„Manches war doch für die Katz/
Und du standest verloren da/
Träumtest von einer Taube auf dem Dach/
Statt des Spatzen in der Hand.“
Weiberaufstand heißt: Sich die Taube nicht ausreden lassen. Gleiche Würde, gleiche Rechte. Drunter machen wir’s nicht. Das ist eine Selbstverständlichkeit und keine Maximalforderung. In Demokratien sitzt diese Taube nicht mehr auf dem Dach, sie steht in der Verfassung und wenn ich sie nicht zu fassen bekomme, kann ich sie einklagen.
Oft sagen mir Katholikinnen: „Ich fühle mich nicht diskriminiert. Ich will doch gar nicht Priesterin werden. Ich bin mit diesem Platz zufrieden." Andere Variante in Interviews oder auf Podien : "Frau Florin, wollten Sie Priesterin werden?" "Nein, nie!" "Ja warum schreiben Sie dann ein Buch über Frauen?"
Solche Sätze und Dialoge zeigen mir, wie sehr Katholikinnen diese Lehre verinnerlicht haben. Wer so spricht, deutet eine objektive Diskriminierung – den Ausschluss von Möglichkeiten aufgrund des gruppenbezogenen Merkmals Frau - zum subjektiven Empfinden um. Weil ich mich nicht diskriminiert fühle, gibt es angeblich die Diskriminierung nicht.
Die Beteurung, mit dem Platz zufrieden zu sein, klingt demütig und bescheiden. Es ist aber ein autoritärer Standpunkt. Denn im Grunde sagt man damit: Was ich nicht will, das sollst du auch nicht wollen dürfen! Wer so spricht, bringt andere Frauen um ihre Möglichkeiten. An solchen Sätzen kann man gut erkennen, wie wirksam das Prinzip „Teile und herrsche“ ist. Die herrschende römisch-katholische Lehre entsolidarisiert die Frauen.
Weiberaufstand heißt, in Möglichkeiten zu denken - gerade in Möglichkeiten für andere. Falls die Männer hier im Saal es nicht gemerkt haben: Sie sind hier mitgemeint. Es sind skandalös wenige katholische Männer, die sich für Gleichberechtigung der Geschlechter in der römisch-katholischen Kirche einsetzen. Der wunderbare Film „Die göttliche Ordnung“ über den Kampf ums Frauenwahlrecht in der Schweiz war auch in Deutschland ein Erfolg. In der Schweiz wissen Sie erst recht: Das Frauenwahlrecht – aktiv und passiv – wäre niemals durchgesetzt worden, wenn es 1. nur von Frauen unterstützt worden wären und wenn es 2. nur von Frauen gefordert worden wäre, die selbst Abgeordnete oder Regierungschefin werden wollten.
Jetzt habe ich das schreiend Komische und das schreiend Ungerechte skizziert. Und ich sehe natürlich die Frage auf Ihrer Stirn: Was tun?
3. Wie geht weiter, was noch gar nicht angefangen hat?
1870 wurde die frisch erfundene Unfehlbarkeit des Paptstes in Kraft gesetzt. Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf hat vorige Woche in einer Vorlesung an der Universität Mainz sehr plastisch erzählt, wie das Unfehlbarkeitsdogma zustande kam. Es war höchst umstritten. Wolf schildert eine Auseinandersetzung zwischen Kardinal Filippo Maria Guidi, einem Dominikaner, und Papst Pius IX. Der Kardinal hatte darauf hingewiesen, dass der Papst unfehlbare Glaubenssätze nicht allein verkünden könne, das entspreche nicht der Tradition der Kirche. Der Papst müsse vorher „die Kirche“ befragen. Daraufhin wies ihn Pius IX. in einer Privataudienz zurecht: „Ich bin die Tradition, ich, ich bin die Kirche!!“
Der Papst war so außer sich, dass er danach einen Arzt rufen musste. Der verabreichte ihm ein – Abführmittel, so Wolf.
„Ich bin die Kirche“ – „L’Eglise, c’est moi“. Was für ein Satz! Der Unfehlbare sagt ihn natürlich nicht öffentlich, damals nicht und heute auch nicht. Ich muss zugeben, dass ich mir diese Klarheit gerade jetzt aus dem Munde eines Papstes oder eines Bischofs wünschen würde. Und nicht die üblichen Ohnmachtsworte nach dem Motto: „Die Kirche ist nicht befugt, Frauen zu Priestern zu weihen.“ Oder: "Ich bin nur ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herren“. Oder: „Die Geister sind noch nicht genug unterschieden.“ Oder: "Ich persönlich kann mir Priesterinnen vorstellen, aber die Weltkirche…“
Jahrhundertelang galten Frauen nicht nur, aber auch in der Kirche als minderwertig. Dann wurden in den 1970er Jahre all die Begründungen für den Ausschluss vom Weiheamt erfunden, die bis heute unablässig wiederholt werden: Jesus habe nur Männer berufen, der Priester repräsentiere Christus und der war nun mal ein Mann...
Immer muss Jesus herhalten.
Wer sagt schon: „Ich will die Weiber hier nicht haben“. „Ich will das nicht!“ "Ich halte sie für minderwertig"?
Ich wünsche mir, dass das diejenigen, die an dieser diskriminierenden Lehre, an dieser unterordnenden Ordnung festhalten, offen sprechen. Dass sie sagen: Ich will das so. Und nicht behaupten: Ich werde gewollt.
Vor allem wünsche ich mir, dass die Lainnen und Laien nicht immer so nachsichtig sind, bloß weil die Diskrimierer gönnerhaft-freundlich lächeln. Zum Weiberaufstand gehört nicht nur das Tun, sondern das Unterlassen devoter Milde.
Frauen wollen nicht diskriminiert werden. Frauen wollen auch nicht auf ihren Nutzen reduziert werden. Nicht hier und nicht anderswo auf der Welt. Das Weltkirchenargument ist keines. Es heißt nur, dass sich die römisch-katholische Kirche weit verbreiteten Diskrimierungsverhältnissen entweder anpasst oder sie aktiv unterstützt.
Diskriminierung mit voller Absicht
Und das, obwohl sie zugleich Mädchenbildung fördert.
Ich verdanke meiner Ursulinenschule in Bornheim-Hersel viel. Sie sehen, was rauskommt, wenn man das Mädchen lernen, lesen und studieren lässt. Wenn ich mit politikwissenschaftlicher Brille auf das Herrschaftssystem schaue, dann sehe ich:
Die Diskriminierung von Frauen – und auch die von homosexuellen und queeren Menschen, das wäre ein eigenes Thema – unterläuft nicht einfach so, wie es diejenigen mit dem milden Blick glauben machen wollen. Sie geschieht mit voller Absicht, seit Jahrhunderten und bis heute, sie ist ein tragendes Ordnungsprinzip dieser Institution. Sie ist gerade in jüngerer Zeit in den Stand von göttlichem Recht avanciert.
Und, liebe geweihte Männer, in Entscheiderpositionen, wenn ihr schon vor lauter Stellvertretertum und Christusrepräsentanz kaum noch laufen könnt: Bitte, bitte steht doch endlich dazu.
„L’Eglise, c’est moi“ - bekennt doch ehrlich: "Ich will diskriminieren." Wenn das mal gesagt ist, dann kann man sehr viel offener miteinander diskutieren.
Auf dem Synodalen Weg bekam der Text über die Sexualmoral nicht die Zwei-Drittelmehrheit der Bischöfe. Die Synodale Julia Knop, Theologieprofessorin in Erfurt, berichtete, einer von den Nein-Bischöfen habe ihr gesagt, er wolle ja nicht diskriminieren. Daraufhin hat sie ihm geraten: „Ja, dann diskriminieren Sie nicht!"
So einfach ist es. Wer nicht diskriminieren will, kann damit aufhören. Der Papst könnte das unfehlbar sofort in Kraft setzen.
Die fleißigen Lieschen
Frauen befleißigen sich noch immer und bringen Argumente herbei, damit die Platzanweiser darüber nachdenken, die Diskriminierung zu beenden - aus Überzeugung oder aus Gnade. Dazu gehören historische Argumente von der Sorte: „Es gab schon früher Diakoninnen und davon ging die Kirche nicht unter“. Oder: „Es gab schon früher mächtige Äbtissinnen mit Jurisdiktionsprimat und davon ging die Kirche nicht unter.“ Dazu gehören Management-Argumente von der Sorte: „Gemischte Teams arbeiten einfach besser.“ Dazu gehören pragmatische Argumente von der Sorte: „Irgendwer muss ja die Lücken füllen, wenn keine Priester mehr da sind.“
All diese Fleißarbeit mag taktisch notwendig sein. Aber sie ist ent-würdigend. Frauen sind nicht possierlich, sie sind nicht nützlich, sie sollten nicht immer wieder versuchen, als fleißige Lieschen ihren Mehrwert für die Kirche zu beweisen. Sie sind Menschen mit Würde. Das müsste eigentlich reichen. Und wenn das auch nach 2000 Jahren nicht reicht, was sagt das dann über die Institution?
Die Geschichte der römisch-katholischen Kirche ist auch eine Geschichte der Frauenverachtung. Was ich eingangs als lustig geschildert habe - Thomas von Aquin, Augustinus - ist zutiefst misogyn. Offenbar sind die heutigen Entscheider nicht bereit, diese Geschichte hinter sich zu lassen.
„Du hast versucht, so gut du konntest/
Den Kopf oben zu behalten/
Das Gesicht im Wind/
die Augen offen“,
heißt es in dem Lied über die stürmischen Zeiten von Franziskas Playlist.
Ich ergänze: Wenn du mit dem Kopf gegen die Weiberaufstands-Wand rennst, ist das Problem nicht der Kopf, sondern die Wand.
Die Diskriminierung von Frauen in der römisch-katholischen Kirche ist gewollt, dieses Machtsystem ist gewollt, viele profitieren davon. Das ist die Wand. Sie produziert weiterhin Verletzungen und Leid. Ich bilde mir nicht ein, mit diesen Gedanken die Wand ins Wanken zu bringen. Aber wer die Machtverhältnisse durchschaut, wer sich die Wand nicht zur duftend-blühenden Hecke schönredet, wird nicht so schnell zum Opfer. Das ist meine Hoffnung.
Ich glaube nicht, dass es einen Weiberaufstand gibt, der die Institution ändert. Ich hoffe aber, dass diese Art der Aufklärung und der Bewusstseinsbildung Menschen wenigstens Leid erspart. Ich hoffe, dass weniger Gläubige auf dieses manipulative Wesengewese hereinfallen.
Liebe Franziska, für deine Playlist hast du auch die erste Cello-Suite von Bach ausgesucht, das Prelude. Es ist ein raffiniertes Stück: prima vista wirkt es einstimmig, lauter gebrochene Akkorde. Auf den zweiten Blick versteckt sich Mehrstimmigkeit in der Einstimmigkeit.
Zufällig nehme ich just diese Cello-Suite gerade in meinem Saxofon-Unterricht durch, nach den Sommerferien soll ich sie können. Gerade gestern habe ich sie noch mit mäßigem Erfolg geübt.
Man braucht dafür einen langen Atem, eine kontrollierte Phrasierung, ein zartes Legato, und einen zornigen Zungenschlag für den Baßton. An dem Stück lasse sich eine Menge lernen, auch für alles andere, hat mir mein Saxofon-Lehrer gesagt.
Den Weiberaufstand hat er damit ganz sicher nicht gemeint, den kennt er gar nicht. Aber du merkst wahrscheinlich, dass ich ganz unbescheiden den Bach dorthin umleite.
Es gibt nicht die eine Interpretation des Weiberaufstands. Es gibt nicht die zehn Tipps für die korrekte Ausführung. Eine Gelinggarantie gibt es erst recht nicht. Aber mit intellektueller Analyse, mit zornigem Zungenschlag, mit zarter Bindung und mit langem Atem wird etwas hörbar, was vorher nicht zu hören war.
Der Weiberaufstand ist eine Suite. Die hat zwar ein Ende, aber sie hört nie auf.
gemaess dem Astronauten, der ueber seine Eindruecke im All sprach, sage ich: Einen Herrn gibt es da nicht.
Dem ist nichts hinzuzufügen, außer zu konkretisieren, dass die päpstliche Bibelkommission schon in den 70ern zu einem ganz anderen Schluss kam. "Schon damals (1976 in "inter insigniores") unterschlugen die römischen Theologen den internen „Bericht der Päpstlichen Bibelkommission“, die mit Mehrheit zu dem Ergebnis kam, die biblischen Stellen reichten nicht aus, um den Ausschluß der Frauen zu begründen. Im Gegenteil, die Kirche könne Frauen ordinieren, ,ohne gegen die Intentionen Jesu Christi zu verstoßen.' " (taz archiv, 6.6.1998) Es hat sich wirklich viiiiiel getan seitdem ...
Ich bin schockiert, dass mir beim Lesen die Taliban in den Sinn kamen, total ungewollt, einfach so...
Es fällt einem wie Schuppen von den Augen, wenn Sie referieren! Danke. Der Verbleib in der römisch-katholischen Kirche wird für mich zur Gewissensfrage...
Einfach großartig. Genau das ist des "Pudels Kern". Ich erfahre seit Jahrzehnten diese Entsolidarisierung der Frauen mit diesen gut eingelernten Argumenten, dass sie sich doch ohnedies mitgemeint fühlen, dass ihnen nichts abgeht, dass sie so zufrieden sind an dem Platz, der ihnen zugewiesen ist - und damit auch mir signalisiert haben: Du brauchst dich da nicht aufzuspielen, für dich muss das auch reichen. Wenn ich dann auch noch sprachlich Achtsamkeit einmahnte, bekam ich regelmäßig zu hören: du immer mit deinem Gender- Sch ...Danke für Ihre Worte, Frau Dr.in Florin!