Ernst ist die Weltlage, heiter die Weltsynode. Fachzeitschriften für die sparsame Hausfrau wussten es schon in den 1950er Jahren, jetzt hat auch der Vatikan eine Lernkurve hingelegt: Schon wenige geschickt gewählte Deko-Elemente können einen Raum völlig verwandeln. In der römischen Aula stehen nun runde Tische mit rotgepolsterten Stühlen. Darauf nehmen nicht nur Bischöfe Platz, sondern auch FRAUEN. Tischdamen! Das Zuhörenwollen kann sich sehen lassen.
Innenarchitektonische Kniffe sind in der katholischen Wunderwelt mitnichten Äußerlichkeiten. Synode heißt "gemeinsamer Weg". Jetzt können alle, alle, alle erkennen: Gemeinsame Wege lassen sich im Sitzen beschreiten.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing erzählte, der Vatikan habe dieses Interieur eigens angemietet. Ob er damit Rom ein Kompliment machen oder ein Armutszeugnis ausstellen wollte, bleibt sein Geheimnis. Hauptsache, die deutsche Delegation schleppt keine ausrangierten Bundestagsbänke an. Parlamentarische Accessoires schätzt das Oberhaupt der absoluten Monarchie nämlich gar nicht. "Wir sind nicht hier, um eine parlamentarische Sitzung oder einen Reformplan voranzubringen. Die Synode, liebe Brüder und Schwestern, ist kein Parlament", predigte er zur Eröffnung. "Die Hauptperson ist der Heilige Geist. Nein, wir sind hier, um gemeinsam zu gehen mit dem Blick Jesu, der den Vater preist." Eingeladen ins Casino Royale sind alle, "die mühselig und beladen sind.“
Verbale Keuschheit
Wegen der verbalen Keuschheit, zu der Franziskus alle Teilnehmenden verpflichtet hat, gibt es keine offizielle Angabe zur Bezugsquelle der Möbel. Hat die Spielbank Bad Oeynhausen ihren Keller ausgeräumt? Oder konnte das vatikanische Untersekretariat für Materialbeschaffung der Seite www.pokershop.de nicht widerstehen? Da gibt es rote Casinostühle, Modell Champagner, stapelbar für nur 64,90 Euro pro Stück, ab einer Bestellmenge von 400 gewährt der Anbieter sicherlich Synodal-Rabatt. Auch beim Zocken werden Gebete gegen Himmel geschickt, auch eine Pokerrunde ist eine spirituelle Veranstaltung. Die römisch-katholische Übersetzung von "Rien ne va plus" heißt: Ecclesia semper reformanda.
Pardon, ich merke, dass ich mich dem Spott-Roulette hingebe anstatt erntshaft das Zuhören zu zelebrieren. Ich gestehe: Mit Runder-Tisch-Romantik konnte ich noch nie etwas anfangen. Bei uns zu Hause steht ein eckiger, puristischer Holztisch. Da kommt alles drauf. Tagt die Familien-Synode, kann ich meinen Beruf nicht ablegen, auch wenn Papst Johannes Paul II. wusste, dass eine richtige Frau vor allem Mutter, Mutter, Mutter ist. Wir diskutieren am eckigen Tisch alles durch, vom Nahost-Konflikt bis zur Hafermilch. Irgendwann schweigt mein Mann, eines der Kinder rollt die Augen und sagt vorwurfsvoll in meine Richtung: "Du sprichst mit deiner Radio-Stimme!" Die nächste Stufe ist der Griff zum Smartphone, eingeleitet mit dem Seufzer: "Boah, jetzt folgt ein 10-minütiger Vortrag von Frau Dr. Florin".
Die kurze Pause, die dann entsteht, nutzt der Gatte für einen wahrhaft synodalen Schachzug. "Sollte eine Gesprächslücke entstehen", sagt er demütig, "würde ich gerne einen Beitrag leisten. Ich habe mir im Verlauf der Diskussion drei Punkte gemerkt, zu denen ich Stellung nehmen möchte."
Wer das Geschehen von außen betrachten, muss denken: Streitlustig ist das Weib, besonnen der Mann. Der Papst würde sicher unseren Pater Familias preisen.
Also: Sollte im Casino Royale eine Zuhörpause entstehen, bitte ich untertänigst darum, folgende drei Aspekte zum bisherigen Verlauf anmerken zu dürfen.
1. Der Reformplan
Glaubt man dem Papst, gibt es in seinem Herrschaftsbereich mindestens zwei Lager. Das mit "Reformplan" und das mit der Alles-muss-bleiben-wie-es-ist-Einstellung. Die einen wollen dies, die anderen wollen das. Der weise Mann in Weiß sagt dann: Seid nicht so wie in der Politk, denkt nicht in rechts und links, Sieg und Niederlage, orientiert euch nicht an der Welt da draußen.
Hätte der oberste Verklärer des Zuhörens wirklich zugehört, könnte er bemerkt haben: Refomen sind kein Plan, keine Agenda, kein Selbstzweck. Sie sind nichts Abstraktes, dahinter stehen Leben und Leiden leibhaftiger Menschen. Das klingt banal und kitschig - und fällt doch bei Franziskus unter den runden Tisch. Seine Barmherzigkeit kommt ohne Ecken und Kanten daher, verletztend ist sie trotzdem.
Bevor ich selbst mit dem Reden und Schreiben über Religion begann, habe ich vielen Katholikinnen und Katholiken zugehört, für die die Lehre dieser Kirche existenziell ist, die sie erstnehmen und denen die Kirche gerade deshalb Leid und Unrecht zufügt.
Sie alle fühlen sich nicht nur diskriminiert, erniedrigt und ausgegrenzt. Sie werden diskriminiert, erniedrigt, ausgegrenzt. Vor einigen Wochen erzählte Matthias Helfen (Pseudonym) im Deutschlandfunk, warum er als homosexueller Mann das Priesterseminar verlassen musste. Auf meine Frage, weshalb er auch 20 Jahre nach dieser Erfahrung noch immer seiner Kirche die Treue hält, sagte er: "Ich kann das gar nicht genau erklären, warum ich dieses JA der Kirche will und angenommen sein will von ihr. Trotz aller Erfahrung war sie für mich immer prägende Heimat. wie man so schön sagt "Mutter Kirche". Ich kann einfach nicht verstehen, derart abgelehnt zu sein. Das schlimmste Gefühl für mich war, einfach auf Sex reduziert zu sein." Es sei eben nicht so, dass nur die ausgelebte Homosexualität Sünde sei, er werde als Person komplett zurückgewiesen.
Jens Ehebrecht-Zumsande von der Initiative "Out in Church" bekannte in seiner Rede zur Verleihung des Preises "Trompete von Jericho", wie früh ihn die harte Norm demütigte: "Lange bevor ich wusste, wer ich wirklich bin; und lange bevor mir überhaupt eine Sprache für mein Queersein zur Verfügung stand, hatte ich eine Ahnung davon, dass mit mir „etwas nicht stimmt“, dass mit mir etwas ,nicht richtig' ist. Ich ,wusste', dass ich gegen irgendwelche Regeln verstoße, ohne sie überhaupt richtig zu kennen oder gar zu verstehen. Dass mit den Regeln etwas nicht stimmt, war für mich nicht denkbar. Stattdessen ahnte ich, dass mein Leben irgendwie schwierig werden könnte. Einfach, weil ich so war, wie ich war. Niemand sollte so fühlen müssen. Kein Kind. Kein Jugendlicher. Kein Erwachsener."
Mara Klein, einzige offen diverse Person auf dem Synodalen Weg, berichtete in einer Radiosendung: "Ich kenne queere Menschen jeden Alters, die dankbar sind für jedes positive Zeichen, und die merken, wenn etwas Ablehnendes kommt. Das kriegen die anderen meisten gar nicht mit, aber die queeren Menschen schauen darauf, was da gesagt wird."
Der Mann an der Spitze könnte in seinem Königreich alle Regeln streichen, die Menschen abwerten und ablehnen, weil sie sind wie sie sind. Aber er legt bloß ein Tischtuch drüber und streicht es pastoral lächelnd glatt. Wenn Franziskus erklärt: "Wir lieben doch alle, alle, alle, auch die sexuell Ungeordneten", dann mag das fürs Anti-Gender-Lager eine Zumutung sein. Eine Reform, die das Leben von vielen verbessert, ist es nicht.
Wer barmherzige Herablassung wie Humanität aussehen lassen will, stapelt hoch. Ich wette um den Gegenwert von 1000 Casino-Sesseln Champager, stapelbar, in der Spielbank von Bad Oeynhausen: Eher gewinnt meine Zahl beim Roulette, als dass sich diese diskriminierende römisch-katholische Lehre nach der Zuhör-Gala ändert. Glücksspiel ist gerechter als die Synode mit dem Poker-Mobiliar.
2. Das Frauendings
Frauen haben laut römisch-katholischer Lehre ein bestimmtes Wesen, daraus folgen bestimmte Bestimmungen: Entweder ein weibliches Wesen wird Ehefrau und Mutter oder Ordensfrau. Weil Frauen nicht immer merken, was ihre gottgewollte, naturrechtlich gegebene Rolle ist, müssen ihnen Päpste und Bischöfe das angeblich Natürliche immer wieder einbimsen. Wenn das Lehramt nicht aufpasst, kommen Weiber auf die Idee, es sei ungerecht, dass geweihte Männer bestimmen, wo Frauen Platz nehmen, wann sie aufstehen, wie weit sie gehen und vor allem: wohin sie nicht gehen dürfen.
Früher trieben Kurienkardinäle den Frauen im Befehlston die Flausen aus dem Kopf: Platz! Sitz! Still!
Der neue Typus synodal Kurialer spricht gepolstert: Kardinal Michael Czerny zum Beispiel musste sich gefallen lassen, dass die Katholische Nachrichtenagentur KNA ihn hartnäckig nach dem Weiheamt für Frauen befragte. "Es gibt kein Recht auf die Priesterweihe. Aber die Berufung eines Mannes wird von der Kirche geprüft - die einer Frau nicht. Das ist doch eine strukturelle Diskriminierung", behauptete die KNA doch glatt! Darauf erwiderte Czerny: "Nein, es ist keine strukturelle Diskriminierung. Es ist unsere Tradition, dass Frauen nicht Priester werden können. Und Tradition ist dynamisch."
Die Tische sind rund, damit sich das Denken im Kreis drehen kann.
Die geweihten Herren kommen nicht raus aus ihren Zirkeln. Aber was ist mit den handverlesenen Frauen? Unter den Tischdamen sind Synodale, die sagen: "Ich werde als Frau in dieser Kirche nicht diskriminiert, ich möchte nicht Priesterin werden, ich bin mit meinem Platz zufrieden." Ich. Ich. Ich.
Meines Wissens sollten Christenmenschen auch an andere denken. Wenn ich mich selbst für die zweite Reihe entscheide, dann sieht das bescheiden aus. Wenn ich jedoch dafür sorge, dass auch andere die zweite Reihe einnehmen müssen, obwohl sie in die erste könnten, dann ist das vermessen. Meinem Naturell entspricht es zwar eher, solchen Frauen zuzuzischen: "Sie tun bloß demütig, in Wirklichkeit sind Sie autoritär!". Aber ich versuche mich im Synodensound und bitte unterwürfig wie eine Kaltmamsell, folgenden Gedanken anzuhören: Es ist eine gute Sache, anderen Möglichkeiten zu eröffnen, auch wenn ich selbst diese Möglichkeiten nicht nutzen möchte.
Franziskus macht aus dem "Geist der Unterscheidung" ein Endlos-Roulette. Falls eine weitere Gesprächslücke entsteht, hätte ich noch ein Hörangebot: Wenn schon der Casino-Spieltisch unbedingt zwei Farben haben muss, wenn es nur rot und schwarz gibt, dann markiert eine Trennlinie den entscheidenden Unterschied: Wer setzt sich auf der Synode dafür ein, dass andere sich in möglichst vielen Möglichkeiten denken dürfen, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung und anderen eingespielten römisch-katholischen Sortiermustern?
Der Global Player könnte auf der Seite der Ermöglicher spielen. Wer nicht entscheidet, entscheidet sich für die andere Farbe.
3. Das kulturelle Kapital
So geschmacklos das Casino-Ambiente auch aussieht, so stimmig ist es. Der Soziologe Stephan Lessenich zeigt in seinem Buch "Grenzen der Demokratie", wie diejenigen, die über die Rechte herrschen, den Wunsch nach Berechtigungen und Teilhabe parieren. Forderungen als übermaßig zu qualifizieren, Un-Berechtigte zur Geduld zu ermahnen, darauf zu verweisen, was der Fordernde doch schon alles hat, andere Themen für wichtiger zu erklären - das sind klassische Abwehrmechanismen höherer Stände.
Auf dem Spiel steht für die Monarchie jede Menge kulturelles Kapital, vor allem die Macht über eine als wahr deklarierte Stände- und Geschlechterordnung. Von dieser Ordnung profitieren jene, die durch Weihe in den höheren Dienst aufsteigen. Von dieser Ordnung profitieren alle, die sie festlegen, und alle, deren Leben und Wesen der Ordnung entspricht. Die Mühseligen und Beladenen, die für nicht in Ordnung befunden werden, dürfen sich nichts nehmen, sie dürfen allenfalls dankbar annehmen, was vom Tisch runterfällt.
Ein gutes Beispiel fürs Kapitalmanagement ist der kirchliche Umgang mit der"Ehe für alle". Eigentlich ist genug Ehe für alle da. Die Möglichkeit, dass ein Mann einen Mann heiraten darf und eine Frau eine Frau, nimmt keinem heterosexuellen Paar etwas weg. Aus katholischen Kapitalertragsgründen ist es jedoch wichtig, im Namen der Wahrheit die sakramentale Ehe streng zu reglementieren. Da darf kein sakramentaler Krümel vom Tisch fallen. Denn wer die hergebrachten Ordnung als kulturelles Kapital hütet, verbucht als Verlust, wenn andere Möglichkeiten gewinnen. Nicht Gleichberechtigung ist das katholische Gewinnversprechen, sondern Auserwähltheit, auch und gerade in der Ehe. Die Tische biegen sich unter all den Regeln, Normen, Ein- und Auschlussapparaturen.
Franziskus, der große Kapitalismuskritiker, tastet dieses System nicht an. Wer behauptet, es dürfe keine Sieger und Verlierer geben, spiritualisiert die herrschenden Besitzverhältnisse weg. Die alte, harte Ordnung teilt in kulturelle Kapitalbesitzer und Habenichtse. Belohnungs- und Bestrafungsanreize bleiben, sie sehen nur plüschiger aus.
Irgendwo habe ich mal etwas von einem gehört, der Tische umgestoßen hat. Keine Ahnung, ob die eckig oder rund waren. Ich hätte besser zuhören müssen.
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