Der Papst, der bestimmte Frauen liebte
- Christiane Florin
- vor 3 Tagen
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Originaltext auf ZEIT online, https://www.zeit.de/kultur/2025-04/papst-franziskus-frauen-patriarchat-gleichstellung-reform-kirche/komplettansicht
Franziskus war ein Papst, der bestimmte Frauen liebte. Aus seinen Predigten und Ansprachen machte er gern einen Heldinnenplatz; Helden fielen ihm deutlich seltener ein. Kaum war er 2013 zum Pontifex gewählt, erfuhr die Weltöffentlichkeit von seiner Großmutter Rosa. Eine Nonna – Franziskus hat italienische Wurzeln – wie aus dem Bilderbuch: Sie brachte ihm das Beten bei, hatte stets ein offenes Ohr, das Herz trug sie am rechten Fleck und gern mal auf der Zunge. Der Schwiegertochter, also Franziskus' Mutter, zeigte sie, was eine gute Pasta ausmacht. Ob sie auch den Sohn in die Geheimnisse der Nudelkunst einweiht, ist nicht überliefert.
Oma gegen rechts
Oma Rosa habe sogar einmal die Kanzel der Kirche bestiegen, um dem faschistischen Diktator Benito Mussolini den Marsch zu blasen, erzählte Franziskus. Das soll der Grund dafür gewesen sein, dass die Familie Italien verließ und nach Argentinien auswanderte. Eine Oma gegen rechts, eine mutige und wahrhaft mächtige Frau, auch ohne Amt, Priesterkragen und Titel. So stellte der Enkel im höchsten Amt der römisch-katholischen Kirche diese Rosa Margherita Bergoglio dar, mit jeder seiner Erzählungen wurde sie ein bisschen heiliger, ein bisschen heldinnenhafter. Zuletzt setzte er ihr in seiner Autobiografie ein Denkmal.

Auch eine andere Heldin hob er aufs Podest, sogar kirchenrechtlich: Maria Magdalena oder Maria von Magdala. Frühere Päpste hatten sie fälschlicherweise mit der "Sünderin" aus dem Lukasevangelium gleichgesetzt. Franziskus erhob sie 2016 zur Apostelin der Apostel, den Gedenktag verwandelte er per Dekret in einen Festtag. Wer seitdem am 22. Juli als Kleriker am Altar steht, spricht einen Text über diese Maria; darin heißt es, Christus habe ihr das "apostolische Amt" übertragen. Das klingt schon fast, als habe Franziskus die feministische Theologie zur Ehre der Altäre erhoben, Priesterinnenweiheabsicht inklusive. Aber eben nur fast.
Die Tür ist zu, der Schlüssel dreht sich im Schloss
Franziskus hat Frauen im Vatikan mit Leitungsaufgaben betraut – zuerst waren es die vatikanischen Museen, zuletzt berief er die Ordensschwester Simona Brambilla zu einer Art Ministerin, sie leitet das "Dikasterium für die Institute des gottgeweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens". Von Weihämtern hat er weibliche Wesen jedoch stets ferngehalten.
Das römisch-katholische Weiheamt umfasst drei Stufen: Diakonat, Priesterweihe und Bischofsweihe. Papst Johannes Paul II. hatte 1994 erklärt, die Kirche sei nicht befugt, Frauen zu Priestern zu weihen. An dieser Tür rüttelte auch Franziskus nicht. Er drehte den Schlüssel noch einmal im Schloss herum: In seiner Amtszeit, 2018, verfügte die Glaubenskongregation, Mannsein sei ein "unentbehrlicher Aspekt sakramentaler Repräsentanz".
Mehr Spielraum schien das Diakonat zu bieten. Im August 2016 setzte Franziskus eine Kommission ein, um die Diakoninnenweihe prüfen zu lassen. Deren Arbeit endete ergebnislos, eine neue wurde einige Jahre später einberufen. Wieder einige Jahre später lud Franziskus zu einer Weltsynode. Bei der durften erstmals Frauen an den runden Casinotischen in der vatikanischen Aula Platz nehmen. Doch weder die diversen Diakoninnenmöglichkeitskommissionen noch die synodalen Runden verwandelten den Spielraum in eine Entscheidung.
"Maria ist bedeutender als die Bischöfe"
Als Papst hätte Franziskus mit einem Federstrich den Status quo verändern können. Doch er wollte nicht, kraft seines Amtes. Im Laufe seiner zwölf römischen Jahre ließ er sich verschiedene Begründungen dafür einfallen, warum Frauen und Weihe einfach nicht zusammenpassen. Die eine formulierte er zu Beginn seines Pontifikats, im viel beachteten Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium/Die Freude des Evangeliums: "Tatsächlich ist eine Frau, Maria, bedeutender als alle Bischöfe", sinniert er da.
2013 klang dieser Satz bischofskritisch, mit jeder Wiederholung wurde er zum Abwehrklassiker feministischer Amtsansprüche. Glaubt man Franziskus, haben Frauen den Zinnober mit Gehorsamsversprechen und Gewänderschau nicht nötig. Wenn sie wirklich etwas bewirken wollen, machen sie es wie Maria: Sie tun, was Gott ihnen aufgetragen hat, wirken dort, wo der Herr sie hingestellt hat. Franziskus blieb im Gestus des Platzanweisers, er glaubte zu wissen, was Frauen wollen sollen und was nicht.
Die nicht kurierten Kurienkrankheiten
Seine zweite, ebenfalls klassische Begründung des Neins zur Weihe verwies auf den Klerikalismus. Wenn nun auch noch Frauen geweiht würden, so pflegte der Papst zu sagen, dann werde die Klerikalisierung voranschreiten.
Die römisch-katholische Kirche ist politikwissenschaftlich betrachtet eine absolute Monarchie, mit dem Papst als Kaiser und den Bischöfen als Könige. Es gilt eine Ständeordnung: oben Klerus, unten Laienstand. Franziskus vollbrachte das Kunststück, als oberster Kleriker zum obersten Kleruskritiker zu werden, zumindest in den ersten Jahren. Er verabschiedete sich unmittelbar nach seiner Wahl vom eher ästhetischen Spitzendeckchen-Katholizismus seines Vorgängers Benedikt XVI. In der Liturgie verzichtete er auf goldene Gewänder und prunkvolle Sessel. Legendär wurde seine Weihnachtsansprache vom Dezember 2014 über die "Krankheiten der Kurie", kurz vor dem Hochfest rechnete er mit den Karrierekardinälen seiner Entourage ab. Abgeschafft hat er die klerikalen Ämter und Hochämter dennoch nicht. Priester und Bischöfe wurden weiterhin geweiht, Kardinäle weiterhin ernannt. Warum Klerikerinnen schlimmer sein sollten als Kleriker – die Begründung dafür blieb er in seinen oft schnell dahin gesagten Abwehrsätzen schuldig.
Franziskus lobte Frauen in den Himmel, auf Erden verweigerte er ihnen nicht nur die Weihe, sondern die Gleichberechtigung. Wie seine Vorgänger hielt er daran fest, dass Frauen eine bestimmte Bestimmung zukommt: entweder zur Mutter und Ehefrau oder zur Ordensfrau. Eine seiner ersten überraschenden Aktionen war die Einberufung einer Synode zu Ehe, Familie und Partnerschaft, noch dazu verbunden mit der Ankündigung, die Gläubigen vorher nach ihrer Meinung zu befragen. Frauen weltweit schrieben damals auf, was sie sich wünschten. Immer wieder formulierten sie die bittere Seite der weiblichen Bestimmung zur demütig dienenden, opferbereiten und leidensfähigen Magd des Herrn: Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt.
Franziskus benannte in seinen lehramtlichen Schreiben deutlich dieses geschlechtsspezifische Unrecht, ohne am ideologisch-katholischen Überbau etwas zu verändern. In seiner Enzyklika von 2020 mit dem nicht gegenderten Titel Fratelli Tutti/Alle Brüder kritisierte er das weltweite Patriarchat: Die Gesellschaften seien "noch lange nicht so organisiert, dass sie klar widerspiegeln, dass die Frauen genau die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben wie die Männer".
Das hauseigene Patriarchat sprach er nicht an.
Diskriminierung als "wahre Gleichheit"
In vermeintlich lockeren Reden zementierte er die traditionelle kirchliche Lehre von der Komplementarität der beiden Geschlechter. Gleiche Würde bedeutet nach römisch-katholischer Lesart immer, dass die Möglichkeiten von Frauen andere sind als die von Männern. Laut Lehre ergänzen Frau und Mann einander. Das klingt harmlos, aber was die Frau zu ergänzen hat, bestimmt der (geweihte) Mann.
Geschickt deutete Franziskus im nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia die Forderung nach Gleichberechtigung zur Beschränkung um und die Diskriminierung zur wahren Gleichheit: "Ein solcher Reduktionismus würde uns zu der Annahme veranlassen, dass den Frauen nur dann ein Status in der Kirche und eine größere Beteiligung eingeräumt würden, wenn sie zu den heiligen Weihen zugelassen würden. Aber eine solche Sichtweise wäre in Wirklichkeit eine Begrenzung der Perspektiven: Sie würde uns auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken und den großen Wert dessen, was sie schon gegeben haben, schmälern als auch auf subtile Weise zu einer Verarmung ihres unverzichtbaren Beitrags führen."
Der Neurosen-Kavalier
Je lauter die Forderungen nach Gleichberechtigung wurden, desto klischeehafter wurde sein Reden über Frauen: Sie sollten "die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben", schrieb er in Querida Amazonia. Bei einem Treffen mit Ordensschwestern im April 2023 erklärte er: "Es ist das Wesen der Frau, großzügig zu sein. Ein paar neurotische gibt es, aber das ist überall ein bisschen so." Der Stellvertreter Christi gerierte sich als Neurosen-Kavalier. Als wenig später katholische Frauenverbände bei ihm zu Gast waren, dozierte er: "Der Mann ohne Frau ist allein. Die Menschheit ohne Frau ist einsam. Eine Kultur ohne Frau ist einsam. Wo es keine Frau gibt, gibt es Einsamkeit, trockene Einsamkeit, die Traurigkeit und alle Arten von Schaden für die Menschheit erzeugt." Auch das klingt wie ein Lob, gibt aber eine Bestimmung vor. Frauen sollen sich auf das besinnen, wozu sie nützlich sind: als Gefährtin des Mannes, als Frohmacherin, Einsamkeitsvertreiberin, Erdbefeuchterin.
Weibliche Selbstbestimmung ist in diesem System nicht vorgesehen. Franziskus verbreitete die Lehre von der Komplementarität der Geschlechter garniert mit Scheinkomplimenten. Geht es um Mutterschaft, verschwand der Schmeichelton. Einen Schwangerschaftsabbruch bezeichnete er mehrmals vor großem Publikum als "Auftragsmord", das Wort Gender benutzte er meistens im Zusammenhang mit "Ideologie". So viel ausdrückliche Verdammung kam ihm in Reden über Diktatoren, Kriegstreiber und Gewaltideologen nicht über die Lippen. Oma Rosa schien da couragierter gewesen zu sein.
Die Frauen am Grab
An Franziskus' Grab weinen nun viele Frauen, wahrscheinlich trauern um ihn sogar mehr Katholikinnen als Katholiken. Sie lieben ihn trotz oder wegen all des vergifteten Lobs für weibliche Wesen. Sie sagen Sätze wie: Ja, er war ein argentinischer Macho, aber ein netter. Sie beteuern: Ja, ich bin mit meinem Platz zufrieden, ich brauche kein Amt. Sie fragen: Warum so viel über dieses Frauendings reden, wo doch Franziskus so viel Gutes getan hat für die Armen und Bedrängten?
Die Magd des Herrn hat noch lange nicht ausgedient.
Vielen Dank, Christine Florin, für diese gut recherchierte und überzeugend auf den Punkt gebrachte Rezension der Aussagen von Franziskus über Frauen während seines Pontifikats!