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Christine Florin

Alle Schwestern werden Brüder - oder auch nicht


Durch knallharte Weiber-Recherchen bin ich auf zwei Erkenntnisse gestoßen: 1. Es gibt Frauen schon lange wie Männer. Sie sind keine Erfindung von 1968 und keine Zeitgeisterscheinung. Das kommt treuen Leserinnen und Lesern bekannt vor. Ich habe mir vorgenommen, diese Sätze so oft zu wiederholen, bis Feindbilder wie „Kniefall vor dem Zeitgeist“ aus der innerkirchlichen Debatte fortgeweht werden. Das kann dauern. Die Endlos-Litanei spare ich mir jetzt und komme gleich zu Punkt 2: Es gibt keine Frauensolidarität. Das Geschlecht allein bestimmt weder die politische noch die kirchenpolitische Einstellung. Ich pflichte nicht jemandem nur deshalb bei, weil dieser Jemand eine Frau ist.

Der „Weiberaufstand“ formuliert keine weibliche Gegenlehre zur männlichen Ex-Cathedra-Wahrheit. In Gesprächen, die in das Buch eingeflossen sind, sagten mir Frauen Sätze wie: „Wenn eine Priesterin am Altar stünde, könnte in mir kein Hochamtsgefühl aufsteigen“. „Ich fühle mich in der Kirche nicht benachteiligt, der Pastor ist so nett.“ „Frauen haben Ämter gar nicht nötig, nur Männer brauchen Gold und Epauletten.“ So plural, so normal. 

Die Ladys erledigen einander selbst

Eine der römisch-katholischen Wahrheiten heißt: Frauen sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Menschen mit Lebenserfahrung dürften ergänzen: Auch Männer sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Dieser Satz fehlt jedoch in allen vatikanischen Lehrschreiben. Glaubt man der lehramtlichen Logik, heißt das: Ein Weib gleicht dem anderen schon allein dadurch, dass es anders ist als jeder Mann. 

So ganz glauben die Herren ihre eigene Lehre nicht. Auch sie wissen, dass Katholikinnen voneinander verschieden sind. Und sie wissen diese Verschiedenheit zu nutzen und Solidarität zu verhindern. Alle Schwestern werden eben doch nicht Brüder. 

Für die Entsolidarisierung der Weiber müssen Bischöfe kaum einen Finger rühren. Katholikinnen sind so emanzipiert, dass sie das selbst erledigen. Oder besser: dass sie einander selbst erledigen. Die Herren können entspannt aus dem hierarchischen Hintergrund zusehen, wie kleine Differenzen groß werden und große klein.

Die katholische Frauengemeinschaft Deutschlands kfd hat auf Bundesebene im Juni dieses Jahres ein Papier namens „gleich und berechtigt“ beschlossen und eine Unterschriftenaktion begonnen. Eine der Forderungen: Weiheämter für Frauen. In vielen Diözesen unterstützen die örtliche kfd, aber auch der Katholische Frauenbund KDFB die Aktionen von Maria 2.0. Immerhin haben sich alle das große Ziel - Gleichberechtigung - auf die Fahnen geschrieben. 

Weiberabstand statt Weiberaufstand

Die kfd Köln geht auf Distanz zu Maria 2.0. Sie betet zwar für eine gleichberechtigte Kirche, lehnt aber Streiks und Demos ab. Der Diözesanverband vertrete nun mal 51 000 Katholikinnen, lautet die Begründung, und viele Frauen haben viele verschiedene Meinungen: Einige sind grundsätzlich gegen Priesterinnen wegen des Hochamtsgefühls, diese lassen sich ohnehin nicht unterhaken. Andere sympathisieren offen mit den Marias aus Münster, wieder andere sind der Ansicht, die Zeit sei reif für Priesterinnen, halten aber lauten Protest für unangemessen. Diesen anderen Wesen gelingt es nicht, für das gemeinsame Ziel über Differenzen hinwegzusehen, jedenfalls nicht in Köln.   

Im Erzbistum wird der Weiberaufstand zum Weiberabstand. Die katholische Konditionierung reicht so weit, dass die falsche Alternative - beten oder demonstrieren - ausgerechnet von denen verinnerlicht wird, die eigentlich "gleich und berechtigt" sein wollen. Das Oder schiebt sich vors Und. 

Bei einer Veranstaltung, auf der die Unterschriftenliste der Bundes-kfd kursierte, hörte ich eine Warnung: Festangestellte des Erzbistums Köln sollten sich zurückhalten. Für Weiheämter zu unterzeichnen könne ein Abmahnungsgrund sein. Entweder Forderungsliste oder Gehaltsliste also. Ein offizielles Unvereinbarkeitsdokument konnte mir keine der Informantinnen präsentieren. Es braucht auch keins.  

Macht muss nicht ausgesprochen werden. Es reicht, wenn sie zugesprochen wird. In der katholischen Kirche genügt der Verdacht, dass Solidarität negative Konsequenzen haben könnte, um sie zu verhindern. Bündnisse bleiben im Konjunktiv: Von Maria 2.0 über "Wir sind Kirche" bis in die Mitte des Verbandskatholizismus könnten sich Koalitionen bilden, anschließen würden sich zahlreiche freischwebende Wesen, denen nach Gleichberechtigung gelüstet. Doch sobald ein Bischof die drei Restposten seiner Macht ins Schaufenster des kriselnden Ladens stellt, traut sich kaum jemand aus dem katholischen Mittelmilieu, unbeeindruckt daran vorbei zu gehen. Die abschreckende Dreifaltigkeit hinter der Scheibe sind: die Arbeitsplätze, das Geld und die hochgezogene Bischofsbraue. 

Der böse Bischofsblick

Vor 20 Jahren, als die kfd schon einmal in einem Positionspapier die volle Gleichberechtigung gefordert hatte, schaute der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, missbilligend zu den Frauen hinüber. Die kfd dürfe sich nicht mehr katholisch nennen, drohte er. Das hätte bedeutet: kein katholisches Geld und die Ausbürgerung aus dem konfessionellen Heimatland. Die Forderung verschwand aus dem Papier, eine Lücke blieb. Es hat lange gedauert, bis sich die Leerstelle wieder füllte. Der Konflikt wirkt bis heute nach. Betende Frauen gefallen Klerikern besser als streikende, böse Bischofsblicke können viele Katholikinnen noch immer nicht ertragen. 

Das Frauenwahlrecht hätte sich in Deutschland vor 100 Jahren nicht herbeibeten lassen. Es wurde möglich, weil sich das Land 1918 im Ausnahmezustand befand. Es wurde vor allem möglich, weil sich Frauen und Männer solidarisch verhielten, denen dieses Ziel wichtig war.

Viele Katholikinnen und Katholiken in Deutschland wissen nicht, ob sie auf eine Veränderung durch Reform oder durch Zusammenbruch hoffen sollen. Die katholische Machtapparatur rattert vor sich hin, als wäre nichts geschehen. Sie ist älter als 100 Jahre, arbeitet aber zuverlässig. Ihr Bauprinzip: Spalte und herrsche.   

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