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Christiane Florin

Wider die Wollust


Gestern war ich zu einem theologischen Frühschoppen nach Karlsruhe-Durlach eingeladen. Auf dem Weg dorthin stieg vor meinem geistigen Auge Zigarrenrauch auf, golden gefüllte Gläser waren zwischen den Schwaden zu erkennen. Ich erwartete fünf Theologen aus sechs Ländern und war gespannt darauf, wie sich "Inter insigniores" mit ein paar Promille im Blut anhört. Qualm, Wein, Männer - so sah früher der Frühschoppen im Fernsehen aus.

Es kam anders. Auf dem Lese-Tisch in Karlsruhe-Durlach stand Wasser, die Luft war rein. Die bewusstseinserweiternde Wirkung musste allein vom lila Buch und seiner Autorin ausgehen. Viel gelacht wurde auch ohne Rauch und Riesling. "Ich habe nach knallharten Recherchen herausgefunden, dass es Frauen schon so lange gibt wie Männer" - dieser Satz hat auf Publikümer zuverlässig eine berauschende Wirkung, so auch im Badischen. Das vatikanische Schreiben „Inter Insigniores“ wirkt ebenso zuverlässsig ernüchternd.

In der Diskussion nach dem Vortrag meldete sich eine Zuhörerin und erzählte von einer Begebenheit, über die man mit drei Flaschen Trittenheimer Altärchen intus lachen kann. Vor einer Woche sei sie bei der Bischofsweihe von Christian Würtz in Freiburg gewesen. Rund 250 Vertreterinnen und Vertreter von Maria 2.0 waren auch dort. Nach der Zeremonie habe der neue Freiburger Weihbischof den Frauen symbolisch ein Wollknäuel überreicht.

In den 80ern haben wir in der katholischen Landjugend für den Frieden gestrickt. Wir wollten die Handarbeit dem Hausfrauendasein entwinden. Zwei links, zwei rechts, jede Masche war politisch. Schon für einen Schal ohne Schnickschnack braucht man mehrere Knäuel, mit einem kommt man nicht weit.

Wozu also nur das eine? Mir fallen Kennenlernspiele ein. Da wird ein Knäuel von einem zum anderen geworfen. War es in der Kita-Zeit meiner Kinder? Oder in meiner eigenen? Die Wollewerfer sagten Sätze wie: Ich bin die Christiane, und wer bist du? So entstand ein Wirrwarr, das einem hinterher pädagogisch-pastoral als Beziehungsgeflecht verkauft wurde.

Hölle, Hölle, Hölle

Die Kirche knüpft gern an Sitten und Gebräuche an, die in der Welt da draußen zu Recht vergessen sind. Aber dass jetzt der Christian 1.0 der Maria 2.0 ein Kinderspiel in die Hand drückt - das hätte ich anno 2019 nicht mal ich einem Kleriker zugetraut.

Auf dem Heimweg im Zug habe ich die Geschichte googelnd zurückverfolgt. Die Maus beißt keinen Faden ab: Sie stimmt, mehrere Quellen belegen es. Unter anderem auch die Seite des Erzbistums Freiburg. Auf der Homepage findet sich zum Beziehungsgeschehen rund um die Weihe folgender Text: „Nach dem Gottesdienst sprach der neu geweihte Bischof DDr. Christian Würtz kurz mit den Demonstrantinnen, übergab ihnen ein Schreiben und ein rotes Wollknäuel. Letzteres als Symbol für den Gesprächsfaden, der nicht abreißen solle.“ Verglichen mit diesem Geschenk aus der Schäfchenwelt waren die Freundschaftsbändchen von Hölle-Hölle-Hölle-Sänger Wolfgang Petry geschmackssicher ausgewählt.

Wolle für den Frieden zwischen Klerikern und Frauen - die Idee verfilzt schon, während ich sie aufschreibe. Weiber sind laut Lehramt zum Kinderkriegen berufen, jetzt werden sie auch noch wie Kinder behandelt. Denen gehört zwar laut Evangelium das Himmelreich. Ich aber sage euch: kindlich mit kindisch zu verwechseln ist Hölle, Hölle, Hölle.

Bald sollen die lieben Kleinen deutschlandweit ganz groß rauskommen. Bis vor wenigen Tagen galten Frauen auf dem synodalen Weg bloß als Querschnitts-Ding, quer zu Macht, Moral und priesterlicher Lebensform. Nun bekommen sie etwas Eigenes, sie werden ein Längs-Thema.

Aufstehen, aufeinander zugehen

Dieser Wachstumsschub liest sich in Überschriften so: „Katholiken sprechen über Frauen“, "Frauen in der Kirche werden Thema auf dem synodalen Weg". Beliebt ist auch die Wendung: "Kirche geht auf Frauen zu". Da klingt das nicht mehr ganz so Neue Geistliche Kinderlied durch: "Wir wollen aufstehen, aufeinander zugehen/Voneinander lernen, miteinander umzugehen,

Aufstehen, aufeinander zugehen/Und uns nicht entfernen, wenn wir etwas nicht verstehen.“

Apropos verstehen: Seit 2000 Jahren zerbrechen sich Kirchenväter wie Thomas von Aquin und Augustinus den Kopf darüber, was es mit den Weibern auf sich hat. Es gab mehr vatikanische Theologenkommissionen, die sich mit den anderen Wesen beschäftigt haben, als Fernseh-Frühschoppen mit Werner Höfer. Oswalt Kolles Film „Deine Frau, das unbekannte Wesen“ dürften auch Kleriker geguckt haben, um fundiert vor dem Sittenverfall der 68er zu warnen. Ob sie trotz oder wegen der wollüstigen Konnotation beharrlich an der Formulierung "Stellung der Frau in der Kirche" festhalten, bleibt ihr Mysterium.

Bisher hat das Forschen und Betrachten nichts genützt: Frauen sind Kinder, Frauen sind Schäfchen, Frauen bleiben Fremde.

Wer in der Kirche aufsteigt, kann allerdings auch aufstehen, ohne sich auf den Ringelpietz mit Zugehen und Verstehen einzulassen. Man guckt einfach von oben auf andere herab. Michael Gerber macht es vor. Er ist Würtz‘ Vorgänger in Freiburg und mittlerweile Bischof von Fulda. Die Weihe von Frauen sei "wenig realistisch", sagt er in einem KNA-Interview, schon bevor er sich auf den synodalen Weg gemacht hat. Aber: „Wir müssen Frauen in der katholischen Kirche stärker als bisher ein Mitsprache- und Entscheidungsrecht einräumen“.

Ein Ämtchen fürs Mädchen

Wahre katholische Frauen sollen artige Mädchen am Tisch des Herren bleiben. Sie nehmen sich nichts. Sie nehmen dankbar entgegen, was an Krümeln für sie abfällt. Gönnerhafte Kleriker kehren ein bisschen was zusammen: ein rotes Wollknäuel, ein Gesprächsfädchen, übrig gebliebene Mitsprache- und Entscheidungsrechte, vielleicht ein Mädchen-Ämtchen, das Kardinal Kasper vor einigen Jahren selbst gehäkelt hat.

"Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann", forderte die Kölner Ikone Trude - Pardon, aber sie heißt wirklich so - Herr. Das war 1959, ein paar Jahre vor dem Konzil. Die Männlichkeit wird in der katholischen Kirche immer wichtiger. Jesus war ein Mann, Christus war ein Mann, die Apostel waren auch Männer - so werden fordernde Frauen in jüngster Zeit vermehrt belehrt.

Jungs, ist das euer Ernst? Tapsige Annäherungsversuche mit Wolle und Worten, gönnerhafte Gaben, die kein Weib verlangt hat, Superman-Jesus-Geschichten aus der Grabbelkiste theologischer Spätschoppen?

Im Namen der Herr: Ich will keine Wolle, ich will auch keinen infantilen Kirchenmann. Ich will dann doch lieber die Schokolade.

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