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Christiane Florin

Hüter der Demut


Wie Jesus aussieht, weiß ich von Franco Zeffirelli. Dessen Jesus-Film kam 1977 ins Fernsehen, dem Jahr meiner Erstkommunion. Bis dahin hatten wir im Kommunionunterricht mit Buntstiften Bilder ausgemalt, in denen Jesus übers Wasser ging, Brot vermehrte und Blinde heilte. Viel Lob gab es immer dann, wenn wir nicht über den Rand malten. Den Rand halten - eine katholische Kulturtechnik.

Zeffirellis Jesus hatte schulterlanges dunkles Haar. Er sah aus wie einer dieser "Hippies" und "Gammler", über die sich die Männer meiner Familie bei Namenstagsfeiern lustig machten, wenn sie ein paar Herrengedecke intus hatten. Der Jesus-Film machte sie sehend, er verwandelte ihre Verachtung auf wundersame Weise in Relativierung. "Ich habe nichts gegen lange Haare, aber gepflegt müssen sie sein", hieß es von da an.

Zeffirellis Protagonist trug seine Haare meistens offen, manchmal hatte er ein Tuch darüber gelegt. Wandelte er dergestalt in heutiger Zeit an einem Pegida-Montag durch Dresden, würden Abenlandverteidiger mit schwarz-rot-goldenen Kreuzen in der Hand den verschleierten Mann wohl aus der Stadt jagen. Dass Jesus je mit Hut gesehen ward, ist nicht überliefert. Weder von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes noch von Franco.

Der Bischof von Regensburg, Rudolf Voderholzer, ist stets auf der Hut, wenn es ums Abendland geht. Er trägt auch gern eine auffällige Kopfbedeckung, mal in Schwarz mit breiter Krempe wie beim Marsch für das Leben, mal in Beige mit grünem Band wie bei einer Frauenwallfahrt nach Altötting.

Der Regensburger Katholizismus sieht oft so aus, als hätten Kommunionkinder ihn mit Bunt- und Glitzerstiften ausgemalt: farbenprächtige Gewänder, feine Spitze, güldene Gefäße. Wo neben einem Bischof ein Papstbruder und eine Fürsten walten, darf es schon mal etwas mehr sein.

Priesterinnen und Prostutierte

Nämlicher Rudolf Voderholzer machte sich am vergangenen Wochenende auf von Regensburg nach Ingolstadt, um dort den Abschlussgottesdienst des Kongresses "Freude am Glauben" zu zelebrieren. In seiner Predigt sagte er: "Jesus hat bewusst nur Männer als Apostel berufen, als Stammväter des neuen Israel, die ihn dann zu vergegenwärtigen hatten auch im christlichen Kult. Das hat nichts zu tun damit, dass man sich in der Antike weibliches Priestertum nicht vorstellen konnte. Im Gegenteil: Die Religionen und Kulte Griechenlands und Roms kannten vor allem ein weibliches Priestertum. Ihr Dienst war oft verbunden mit der Tempelprostitution als Darstellung der Fruchtbarkeit der Erde im ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen."

Chapeau! Tempelprostitution! Würde Zeffirelli noch leben, er hätte einen Dreiteiler mit Angelina Jolie draus gemacht: Sex! Sünde! Weib!

Doch das nur nebenbei. Die Argumentation Voderholzers kennt man aus dem Lehrschreiben "Inter Insigniores" von 1976, einem der wichtigsten vatikanischen Dokumente wider die Frauenordination. Die Ingolstädter Inter Insigniores Imitation ist jedoch schleierhaft - aus mindestens drei Gründen. Zunächst: Da behauptet einer, ganz genau zu wissen, was Jesus gewollt hat und was nicht. Wenn mir jemand mit einer Stimme, die keinen Zweifel duldet, sagte: "Jesus wäre heute beim Weiberaufstand dabei" - ich ginge auf Abstand. Hüter der Demut müssten korrekterweise anstatt '"Jesus hat..." sagen: "Das Lehramt glaubt zu wissen, dass Jesus ..."

Ritt auf dem Esel

Zweitens steckt dieser Katholizismus, der keine Widerworte vorsieht, voller Selbstwidersprüche. Aus der Behauptung, dass Jesus angeblich etwas "bewusst unterlassen" hat, schließt der Bischof, dass Unterlassenes verboten ist. Die Zahl der Taten, die jemand nicht tut, ist allerdings unendlich, beliebig vermehrbar. Das gilt für normale Menschen - für Heilande und Wundertäter erst recht.

Nach Voderholzers Logik müsste zum Beispiel der Blutritt von Weingarten, an dem der frühere Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller so gern teilnimmt, einem Gottesmann verboten sein, weil Jesus bewusst auf Pferde verzichtete und Esel bevorzugte. Hüte auf Bischofshäuptern bereiten auch Kopfzerbrechen, ich deutete es schon an.

Schließlich gab es zu Jesus Zeit nicht nur Priesterinnen, es gab auch Priester und Hohepriester. Letzteres blendet der Bischof jedoch aus. Kann es sein, dass Jesus nicht nur bewusst darauf verzichtete, seine Jüngerinnen zu Priesterinnen zu weihen, sondern auch darauf, aus Jüngern Priester und Hochwürden zu machen?

Da malt einer mit ziemlich breitem Stift über den Rand - und vollbringt das Wunder, besonders linientreu dabei auzusehen.

Ich habe nichts gegen Bischöfe, nur gepflegt argumentieren sollten sie. Darauf jetzt ein Herrengedeck.

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